Meine erste Studentenwohnung

Studentenwohnung

Seien wir uns ehrlich, jede Studentenwohnung, die ernst genommen werden will, braucht eine Cocktail-Bar. Wo kämen wir denn hin, wenn der ausgedehnte Streifzug durch das städtische Nachtleben um 6 Uhr morgens zuhause abrupt enden müsste?

Ein Pissoir muss auch dringend her. Gerade die Bewohnerinnen werden es danken, wenn sie die Klobrille ausnahmsweise sauber vorfinden.
Ein Ganzkörperspiegel versteht sich von selbst und zumindest ein Picasso sollte irgendwo an der Wand hängen.

Vielleicht kann der ja ebenso inspirieren wie die Skulptur von Michelangelo, die in der gemütlichen Ecke des Wohnzimmers thront. Dort, wo auch die kleine Denkfabrik eingerichtet ist. Eine Studentenwohnung versteht sich halt nach wie vor als Treffpunkt von Kreativen. Und da die Bewohner nicht in ihren Zimmern vor den Computern vergammeln wollen, brauchen sie den Sammelpunkt, um Gesellschaftsutopien durchzudeklinieren, Denkansätze für die eigene Generation zu entwerfen und den Startpunkt für eine verheißungsvolle Revolution festzulegen.

Schade nur, dass der Musikproberaum, wo die Parolen vertont werden, nun aus der Garage verschwinden muss, weil dort neuerdings der erste Prototyp eines Kleinwagens parkt, der ausschließlich, dafür wie Sau, Schmutzwasser säuft - entworfen oben in der Denkfabrik.

Träume zu erfüllen, kostet ein Vermögen. Und wer will schon ewig von den Eltern nehmen? Doch woher sonst?
Weil man spart, indem man sich Kartonmöbel in die Bude stellt zum Beispiel. Die haben es in sich. Da bleibt der Preisvorteil sogar nur eine Randerscheinung.

Denn erstens treffen die Besitzer ihre Möbel nicht auf jeder auswärtigen WG-Feier. Sie stammen ja nicht wie fast alles Studentenmobiliar vom Schwedenhaus.

Zweitens schnappen die Eigentümer die Couch mit einer Hand und stellen sie genau dorthin, wo sie das Ding im Moment haben wollen.

Drittens können die LiebhaberInnen, die zuerst nicht mitgehen wollten und doch weich wurden, als sie von der Cocktail-Bar hörten, Liebesbriefe und Danksagungen direkt auf das Kartonbett zeichnen.

Seien wir uns ehrlich, die Evolution endet bei Karton.